Unfall ohne Fahrradhelm
Es ist mittlerweile anerkannt, dass man sich im Schadensfalle bei eigenen Pflichtverstößen ein Mitverschulden zurechnen lassen muss. Beispiel: Wer auf der Autobahn schneller als 130 km/h fährt, bekommt im Un-Falle keinen vollen Schadenersatz. Wer nicht angeschnallt verunglückt und verletzt wird, muss sich ein Mitverschulden anrechnen lassen.
Anders sieht es beim Tragen eines Fahrradhelms aus. Das hat der BGH bereits im Jahre 2014 entschieden und das OLG Nürnberg im August 2020 weiter ausgeführt und bestätigt.
Die Klägerin war beim Radfahren von einem rechtsabbiegenden Fahrzeug erfasst worden und zu Fall gekommen. Sie erlitt schwere Kopfverletzungen. Auf die Schmerzensgeldklage verteidigte sich die in Anspruch genommene Versicherung damit, dass die Klägerin – unstreitig – keinen Fahrradhelm getragen habe und deshalb wegen eines Mitverschuldens nur eine Teilzahlung bekommen könne.
Dem hat das OLG Nürnberg in seiner aktuellen Entscheidung widersprochen. Ein Mitverschulden durch das Nichttragen eines Fahrradhelms könnte nach Auffassung des BGH und des OLG nur dann vorliegen, wenn nach allgemeinem Bewusstsein in der Bevölkerung das Tragen eines Helms beim Fahrradfahren zum eigenen Schutz zwingend erforderlich ist. Nun befanden die Richter, dass es zwar anerkanntermaßen sinnvoll sei und schütze, einen Fahrradhelm zu tragen. Allerdings verwiesen die Richter auf Erhebungen von Verkehrszählungen der Bundesanstalt für das Straßenwesen. Danach betrug der Anteil der Fahrradfahrer/innen mit Helm lediglich 18 % innerorts und 22 % außerorts. Bei jüngeren Verkehrsteilnehmern lag die Quote noch erheblich darunter. Die Richter verkannten nicht, dass sich der Anteil der Radfahrer/innen mit Helm langsam und stetig erhöhe. Ein generell in der Bevölkerung verankertes Bewusstsein, dass es eine gegen eigene Interessen verstoßende Verkehrspflichtverletzung sei, ohne Helm unterwegs zu sein, vermochten die Richter aber nicht zu erkennen.
Zumindest gilt dies für die Benutzung des Fahrrads im Alltagsverkehr. Bei Sportveranstaltungen mag etwas anderes gelten.
Die Richter lehnten das Ansinnen der Versicherung ab und sprachen in voller Höhe das Schmerzensgeld zu.
Peter Hülshörster
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Dr. Holly │ Rath │ Hülshörster
www.hrh-anwaelte.de
10. Februar 2021