Recht und Gerechtigkeit sind nicht dasselbe!
Eine rechtlich nicht zu beanstandende, aber doch erstaunliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht Saarbrücken getroffen. Es ging um einen erbrechtlichen Fall.
Ein Ehepaar hatte ein sogenanntes Ehegattentestament gemacht und sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Nach dem Tode des Letztversterbenden sollten Schlusserben die vier Kinder zu gleichen Teilen werden. Dieses Testament war mangels anderweitiger Vereinbarung aufgrund gesetzlicher Vermutung für die beiden Eheleute bindend. Das bedeutet, dass nach dem Tode des Erstversterbenden der Überlebende keine anderweitigen Verfügungen mehr vornehmen konnte.
Bereits zu Lebzeiten der Eltern hatten zwei der vier Kinder jeweils ein Baugrundstück geschenkt bekommen. Das Testament sah vor, dass die beiden anderen Abkömmlinge nach dem Tode des Letztversterbenden jeweils ein anderes Grundstück vorab aus dem Nachlass bekommen sollten (Vorausvermächtnis). Es zeigte sich aber nach dem Tode des Vaters, dass die Werterwartungen der Eltern betreffend die beiden verbliebenen Grundstücke sich nicht erfüllten, diese Grundstücke also viel weniger wert waren als die bereits zu Lebzeiten verschenkten Grundstücke.
Aus diesem Grunde verkaufte die überlebende Mutter die beiden im Besitz verbliebenen Grundstücke und machte den beiden bisher unberücksichtigten Kindern Geldgeschenke im Werte der Grundstücke, die die beiden älteren Geschwister bereits erhalten hatten.
Nachdem auch die Mutter verstorben war, verlangte einer der Brüder, der bereits zu Lebzeiten ein Grundstück erhalten hatte, von den beiden anderen Brüdern die von der Mutter erhaltenen Geldgeschenke wieder zurück. Es habe sich, so der Kläger, um sogenannte beeinträchtigende Schenkungen gehandelt, die nach dem Elterntestament (mit Bindungswirkung) nicht mehr zulässig gewesen seien. Das Oberlandesgericht gab dem Kläger in zweiter Instanz Recht. Die Mutter war nicht berechtigt, diese Geldgeschenke nach dem Tode ihres Ehemannes an die beiden Kinder vorzunehmen, weil ihr Testament andere Regelungen bindend vorsah. Die Beeinträchtigungsabsicht der Mutter ergab sich ganz einfach aus den schriftlich niedergelegten Beurkundungen, in denen die Mutter formuliert hatte, dass sie ausgleichende Gerechtigkeit schaffen wolle.
Gerecht war das sicherlich nicht. Rechtlich aber wohl zutreffend.
Peter Hülshörster
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Dr. Holly | Rath | Hülshörster
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