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Neues vom EuGH


Schon seit einiger Zeit hat sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH verfestigt, dass Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer erst mit einer verlängerten Frist von 15 Monaten nach Ende des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen. Wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise im Jahr 2020 erkrankt war und die Arbeitsunfähigkeit noch immer fortbesteht, verfielen seine restlichen Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2020 mit Ablauf des 31.03.2022

Nun geht das Bundesarbeitsgericht – ebenfalls aufgrund europarechtlicher Vorgaben – davon aus, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, im Laufe eines Kalenderjahres auf die Inanspruchnahme zumindest des gesetzlichen Mindesturlaubs hinzuwirken. Arbeitnehmer müssen über den Umfang der noch zu Buche stehende Urlaubstage informiert und angehalten werden, die Inanspruchnahme zu beantragen. Dabei soll auch auf einen möglichen Verfall hingewiesen werden.

Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern kam nun die Frage auf, ob deren Urlaubsanspruch aus dem Jahr, in dem sie zunächst noch gearbeitet hatten und dann erkrankten, ebenfalls nach 15 Monaten verfällt, wenn sie seitens ihrer Arbeitgeber nicht angehalten worden waren, den Urlaub in dem betreffenden Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen. Diese Frage, über die in zwei Verfahren zu entscheiden war, legte das Bundesarbeitsgericht dem EuGH zur Beantwortung vor.

Der EuGH entschied nun in einem Urteil vom 22.09.2022, dass in dieser Konstellation kein Verfall der Urlaubsansprüche eintritt. Wenn der Arbeitgeber vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit seiner Verpflichtung, zur Inanspruchnahme des Urlaubes anzuhalten, nicht nachgekommen sei, seien die Urlaubstage vor Verfall geschützt. Die Entscheidung ist offenbar so zu verstehen, dass auch keine Verjährung nach deutschem Recht eintritt. Dies führt dazu, dass Arbeitnehmer Urlaubsansprüche aus dem Kalenderjahr, in dem ihre Langzeiterkrankung begann, noch nach vielen Jahren einfordern bzw. eine Abgeltung verlangen können.

Michael Wüst
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr. Holly | Rath | Hülshörster
www.hrh-anwaelte.de

15. Februar 2023