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Nacherfüllung am Sitz des Verkäufers


Am 19.07.2017 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil zum Fahrzeug-Kaufrecht verkündet, welches die Nacherfüllungsrechte des Käufers stärkt. Dieses Urteil wurde erforderlich durch die Verbreitung des Internet als Handelsplattform. Für die nicht mehr ganz jugendlichen Leserinnen und Leser: Erinnern Sie sich? Wie war das, wenn man früher einen gut erhaltenen Gebrauchten suchte? Man las am Samstag die Zeitung und klapperte in den Nachbarorten die Autohändler ab. Das übernimmt heute das Internet. Der neue Schlitten wird zu Hause auf dem Sofa mit dem iPad ausgesucht. Folge: Der Fahrzeugverkäufer sitzt nicht in Wirges oder Montabaur, sondern in Görlitz, Passau oder Schleswig. Dort – weil preisgünstig – wird der Wagen dann gekauft und abgeholt. Kaum zurück im Westerwald, zeigt sich, dass die Kopfdichtung defekt ist. Was nun? Früher fuhr der Fahrzeugkäufer nach Wirges oder Montabaur, stellte das Auto auf den Hof des Verkäufers und verlangte Nachbesserung. Heute schickt der frustrierte Wagenbesitzer eine E-Mail an den weit entfernten Verkäufer. Und schon geht der Streit los. Selbst wenn der Verkäufer seine Pflicht zur Nacherfüllung gar nicht bestreitet: er möchte das Auto sehen. Der Verkäufer verlangt, dass ihm das Fahrzeug zum Betriebssitz gebracht wird. Auf große Entfernungen oft ein Problem, zumal dann, wenn das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit ist. Darf der Verkäufer das? Ja. Der BGH urteilt, dass auch für die Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung die Allgemeinen Vorschriften des BGB maßgebend sind. Danach ist dieser Erfüllungsort der Ort der Nacherfüllung, also der Sitz des Händlers. Zu Recht verlangt der Fahrzeugverkäufer, dass ihm das Auto an seinem Betriebssitz zur Verfügung gestellt wird. Lehnt der Käufer das ab, so geht sein Gewährleistungsrecht unter. In der täglichen Praxis ist dies ein häufiger Streitfall. Allerdings trifft § 439 Abs. 2 BGB eine Kostentragungsregelung. Die Transportkosten zum Zwecke der Nacherfüllung hat der Verkäufer zu tragen. Dabei geht das Gesetz davon aus, dass der Käufer den Transport zu bewirken hat. Die dadurch entstehenden Kosten werden ihm (später) zurückerstattet. Diese Gesetzeslösung ist unbefriedigend, gerade dann, wenn Streit zwischen Käufer und Verkäufer herrscht. Das hat der BGH erkannt und hat deshalb in Fortführung einer Entscheidung aus dem Jahre 2011 ausgeurteilt, dass ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers auch dann vorliegt, wenn er einen Kostenvorschuss für die Transportkosten verlangt. Der Bundesgerichtshof beruft sich dabei auf den Schutzzweck der Europäischen Verkaufsgüterrichtlinie und urteilt, von der gesetzlich geschuldeten Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung kann nur dann die Rede sein, wenn der Käufer mit den Transportkosten nicht in Vorleistung treten müsse. Ein Urteil, das die Rechte des Verbrauchers nachhaltig stützt.​

10. Februar 2021