Rückwärtsfahrt in der Einbahnstraße
In der Einbahnstraße ist auch das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung verboten. Zulässig ist insoweit nur das Rückwärtseinparken in eine Parklücke und das Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück heraus. Die Ausnahme vom Verbot der Rückwärtsfahrt müssen sich in engen Grenzen halten, befand der Bundesgerichtshof im Oktober 2023.
Der Kläger war rückwärts aus seinem Grundstück herausgefahren, welches an einer Einbahnstraße gelegen war. Er achtete auf herannahenden Verkehr, der ordnungsgemäß die Einbahnstraße befuhr. Da kam nichts. Als der Kläger rückwärts auf die Straße fuhr, kollidierte er mit dem Fahrzeug der Beklagten. Die Beklagte war zunächst der Fahrtrichtung der Einbahnstraße folgend an dem stehenden Klägerfahrzeug vorbeigefahren. Sie hatte bemerkt, dass sie auch an einer freien Parklücke vorbeigefahren war. Deshalb fuhr sie wieder zurück, um dann einzuparken. Dabei knallte es. Der Kläger wollte von der Haftpflichtversicherung des Beklagtenfahrzeugs vollen Ersatz seines Schadens, welche ihm in den Vorinstanzen versagt geblieben war. Das sah der Bundesgerichtshof anders.
Der Bundesgerichtshof erkannte zwar durchaus, dass den Kläger erhöhte Sorgfaltspflichten trafen. Aus den §§ 9 und 10 der Straßenverkehrsordnung folgt ein erhöhter Sorgfaltspflichtmaßstab beim Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück heraus in den fließenden Verkehr. Dabei ist jegliche Gefährdung des fließenden Verkehrs auszuschließen. Seinen Sorgfaltspflichten, so der Bundesgerichtshof, habe der Kläger aber genügt. Er habe sich vergewissert, dass aus der „richtigen“ Richtung kein Fahrzeug komme. Dort sei auch alles frei gewesen. Der Kläger habe nicht damit rechnen müssen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer die Einbahnstraße verkehrswidrig in die falsche Richtung befährt. Dieses Verbot, die Einbahnstraße in die falsche Richtung zu befahren, gelte nicht nur für die Vorwärtsfahrt, sondern auch für die Rückwärtsfahrt. Zwingend sei die Rückwärtsfahrt in der Einbahnstraße nur beim Einparkvorgang selbst, also beim Rangieren, und dann, wenn man aus einem Grundstück rückwärts in den öffentlichen Verkehrsraum zurückstoße. Das seien aber auch ersichtlich die einzigen Ausnahmefälle, bei denen die Rückwärtsfahrt in der Einbahnstraße erlaubt sei. Wenn man, wie hier die Beklagte, an einer Parklücke bereits vorbeigefahren sei, dann dürfe man eben nicht wieder zurückfahren. Mit diesem verkehrswidrigen Verhalten habe der Kläger nicht rechnen müssen. Er bekam seinen Schadensersatz.
Peter Hülshörster
Dr. Holly | Rath | Hülshörster Anwälte
56410 Montabaur
www.hrh-anwaelte.de
340 Wörter
11. November 2024