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Kündigungsschutz für Schwangere – neue Rechtsprechung


Nach den Vorgaben des Mutterschutzgesetzes genießen schwangere Arbeitnehmerinnen Sonderkündigungsschutz, wenn sie zum Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung schwanger sind und die Schwangerschaft dem Arbeitgeber bekannt ist. Wenn es an einer Kenntnis fehlt, muss die Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft spätestens innerhalb von 14 Tagen mitteilen. Eine Kündigung trotz Schwangerschaft ist nur ausnahmsweise mit Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde möglich.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einer Entscheidung bereits vom November 2022 neue Maßstäbe festgelegt, wann zum Zeitpunkt des Erhalts eines Kündigungsschreibens von einer Schwangerschaft auszugehen ist. Was war passiert?
Ein Unternehmen hatte zum 15.10.2020 eine neue Mitarbeiterin eingestellt, diese aber bereits mit einem am 06.11.2020 zugegangenen Schreiben, also nach 3 Wochen, wieder gekündigt. Die Mitarbeiterin klagte gegen die Kündigung und legte im Rahmen des Rechtsstreites am 07.12.2020 eine auf den 26.11.2020 datierende Schwangerschaftsbescheinigung vor. Diese wies als voraussichtlichen Geburtstermin den 05.08.2021 aus. Sie berief sich darauf, bei Zugang der Kündigung schon schwanger gewesen zu sein und die Schwangerschaft erst mit dem Besuch ihrer Frauenärztin am 26.11.2020 sicher gewusst zu haben. Das beklagte Unternehmen hielt entgegen, dass eine Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Erhalts des Kündigungsschreibens nicht erwiesen und außerdem die Schwangerschaft verspätet mitgeteilt worden sei.
Hierzu entschied das Bundesarbeitsgericht, dass das Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz automatisch 280 Tage (mittlere Schwangerschaftsdauer bei durchschnittlichem Menstruationszyklus) vor Beginn des mutmaßlichen Entbindungstermins einsetze. Bei einer entsprechenden Rückrechnung ab dem vorgesehenen Geburtstermin 05.08.2021 war die Mitarbeiterin also bereits bei Erhalt der Kündigung geschützt.
Allerdings konnte das Bundesarbeitsgericht den Rechtsstreit noch nicht abschließend entscheiden, da die Vorinstanz (Landesarbeitsgericht) keine Feststellung dazu getroffen hatte, ob der Mitarbeiterin eine frühere Mitteilung ihrer Schwangerschaft möglich gewesen sei. Hierzu erklärte das Bundesarbeitsgericht, dass es nicht allein auf eine positive Kenntnis ankommt, vielmehr eine schwangere Mitarbeiterin schon dann ihre Mitteilungspflicht schuldhaft verletzt, wenn zwingende Anhaltspunkte gegeben sind, die das Vorliegen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen lassen. Es kann also schon eine Vermutung, schwanger zu sein, ausreichen.
Vor diesem Hintergrund wurde der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückgegeben. Fortgang und Ausgang des Verfahrens sind derzeit nicht bekannt.
Arbeitnehmerinnen, die zum Zeitpunkt des Erhalts einer Kündigung eine Schwangerschaft noch nicht sicher wissen, aber vermuten, ist dringend zu raten, bereits die Vermutung innerhalb der Frist von 14 Tagen mitzuteilen und nicht auf ein ärztliches Attest zu warten.

Michael Wüst
Dr. Holly | Rath | Hülshörster Anwälte

56410 Montabaur
www.hrh-anwaelte.de

11. November 2024